BDO International Business Compass

Index internationaler Standorte für den Mittelstand

Investitionen im Ausland von kleinen und mittleren Unternehmen aus Deutschland

Mehr als 99 % aller Unternehmen in Deutschland zählten im Jahr 2009 zu der Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).[1] Ihr Beschäftigungsanteil lag bei über 60 % und sie erzielten fast 36 % der Umsätze. Rund 45 % der Bruttoinvestitionen und fast die Hälfte der Bruttowertschöpfung aller Unternehmen entfielen auf KMU.[2] Hinsichtlich der Verflechtung deutscher Unternehmen mit dem Ausland fällt auf, dass KMU mit 100 bis unter 250 Beschäftigen unterdurchschnittlich häufig ins Ausland verlagern. Sie stellen zwar  56 % der auslandsverlagernden Firmen, haben aber insgesamt einen Anteil von 67 % an allen Unternehmen.[3] Als Hauptmotive für die Verlagerung von wirtschaftlichen Aktivitäten ins Ausland nannten acht von zehn Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern die Senkung der Lohnkosten und den Zugang zu neuen Absatzmärkten. Die Reduktion anderer Kosten wurde als fast genauso wichtig betrachtet. Steuerliche Anreize und eine geringere Regulierung waren für jedes zweite Unternehmen ein wichtiges Motiv, aber auch strategische Vorgaben spielten bei der Verlagerung eine wichtige Rolle.[4] In der Vergangenheit waren außereuropäische Länder, mit Ausnahme von China und Indien, eher ein untergeordnetes Ziel für die Verlagerung von Aktivitäten. Weniger als 20 % der Verlagerungsziele lagen in Nord-Amerika, während etwa 10 % der wirtschaftlichen Aktivitäten in andere asiatische Länder, Australien oder Ozeanien verlagert wurden. Weniger als 10 % der Auslagerungen führten nach Lateinamerika und deutlich weniger als 10 % der Verlagerungsziele lagen auf dem afrikanischen Kontinent.[5],[6] Allgemein sind es fünf Ziele, oft in Kombination, die mit einem Auslandsengagement verfolgt werden: Zugang und Erschließung neuer Absatzmärkte, Orientierung an Clustern, räumliche Nähe zu wichtigen Kunden ("Following Customer"), Kostenreduzierung durch Verlagerung sowie Sicherung der Vorleistungsbasis.[7] Zusätzliche Einflussfaktoren auf die Entscheidung für ein Auslandsengagement bei KMU sind ein Trend zur Internationalisierung in der eigenen Branche, Nachahmung von Wettbewerbern, Eroberung des Heimatmarktes von potenzieller Konkurrenz, Neugierde der Unternehmensleitung, Landesinteresse des Unternehmers, Expansionspläne beziehungsweise Betriebswachstum sowie Unternehmertum.[8]

Die Internationalisierung von Unternehmen ist vielseitig und es gibt zahlreiche Promotoren wie Inhibitoren dieses Prozesses. Die Internationalisierung kann in einem dynamischen Prozess ablaufen, aber auch wegen fehlender Informationen oder anderer Anreize auf einer Stufe verharren. Unterschiedliche Unternehmen sind dabei unterschiedlichen Einflüssen ausgesetzt, auf die sie unterschiedlich reagieren. Ein Unternehmen kann gleichzeitig verschiedene Strategien verfolgen, die auch vom Entwicklungsstand des Gastlandes abhängen.[9] Im Vergleich zu Großunternehmen wirken sich für KMU häufig strukturelle Nachteile, wie Finanzierungs- und Personalengpässe, Management- und Erfahrungsengpässe sowie Immobilität und organisatorische Engpässe hemmend auf ein Internationalisierungsvorhaben aus.[10] Mittelständische Unternehmen identifizieren Bürokratie, Managementkapazität und Qualifikation, fehlende Kooperationspartner im Ausland sowie die Entwicklung von Markteintrittskonzepten als wichtigste Hemmnisse einer Internationalisierung. Aber auch kulturelle Barrieren, die Finanzierung und das Verhandeln mit ausländischen Partnern werden als schwierige Hürden wahrgenommen.[11] Zu den klassischen Problemen einer Auslandsverlagerung bei KMU zählen versteckte direkte und indirekte Kosten, Qualitätsprobleme, Personalprobleme, Wissens- oder Vertrauensverlust, Kulturprobleme, hoher Managementaufwand und negative Absatzmarktentwicklung.[12]

Die Umfrageergebnisse des Deutschen Mittelstandsbarometers von 2009 bestätigen, dass die wirtschaftliche Lage auf dem heimischen deutschen Markt beflügelnd oder hemmend wirken kann für eine mögliche Auslandstätigkeit oder eine Ausweitung derselben. Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass sich die Heterogenität deutscher mittelständischer Unternehmen in heterogene Präferenzen beim Auslandsengagement überträgt. Branche, Rechtsform, Umsatz beziehungsweise Unternehmensgröße und Altersstruktur des Unternehmers beziehungsweise des Unternehmens beeinflussen eine solche Entscheidung. Darüber hinaus ist auch eine gewisse Pfadabhängigkeit zu erkennen; das heißt dass Unternehmen, die bereits mindestens 5 % ihres Umsatzes im Ausland generieren, den Ausstieg aus dem ausländischen Markt nicht zwangsläufig als tatsächliche Option betrachten.[13]



1 Die Abgrenzung kleiner und mittlerer Unternehmen von Großunternehmen wird nicht immer einheitlich vorgenommen. Soweit nicht anders vermerkt, beziehen sich alle Angaben auf die Abgrenzung des Statistischen Bundesamtes, die sich an der Definition der Europäischen Kommission orientiert. Demzufolge zählen zu der Gruppe der kleinen und mittleren Unternehmen alle Unternehmen mit bis zu 249 Beschäftigten und mit bis zu 50 Millionen Euro Umsatz. (Vgl. Söllner (2011), 1088).

2 Vgl. Statistisches Bundesamt (2012); auch Söllner (2011), 1086.

3 Vgl. Statistisches Bundesamt (2009), 18.

4 Vgl. Statistisches Bundesamt (2009), 15-16.

5 Vgl. Statistisches Bundesamt (2009), 16-17.

6 Die Erhebung wurde in Deutschland bei 20.000 Unternehmen mit 100 und mehr Beschäftigen des nichtfinanziellen Sektors der gewerblichen Wirtschaft durchgeführt (Vgl. Statistisches Bundesamt (2009), 15). Aus diesem Grund stehen keine Informationen für die Beweggründe für Unternehmen mit weniger Beschäftigten zur Verfügung.

7 Vgl. Lay et al. (2001), 34-39. Diese Motive wurden anhand von Fallbeispielen deutscher Unternehmen im Ausland identifiziert. Backes-Gellner/Huhn (2000), 184, listet überblicksartig Internationalisierungsanreize, sogenannte Pull-Faktoren, und Internationalisierungszwänge, sogenannte Push-Faktoren, auf. Gerum (2000), 276, listet beschaffungs-, produktions-, absatz- und umweltorientierte Gründe auf. Beide Zusammenstellungen scheinen aber nicht evidenzbasiert zu sein.

8 Vgl. Schulz (2005), 24-25.

9 Vgl. Gelbrich (2011), 364-365.

10 Vgl. Keuper/Schunk/Luu (2011), 270-271; auch Backes-Gellner/Huhn (2000), 186-187.

11 Vgl. Gelbrich (2011), 356. Die Tatsache, dass sich diese Ergebnisse auf eine Erhebung von 1999 beziehen, lässt vermuten, dass die empirische Evidenz für KMU in Deutschland sehr dünn ist (siehe auch Fußnote 7).

12 Vgl. Schulz (2005), 29-41.

13 Vgl. Deutsches Mittelstands-Barometer (2009), 31-35.